Von Marc Zeilhofer und Christian Kunz, dpa
Ausschlafen – der Traum eines jeden Arbeitnehmers wird für deutsche
Schwimmer zur Olympia-Pflicht. Damit auch um Mitternacht
Höchstleistungen möglich sind, hat der Deutsche Schwimm-Verband kaum
Kosten und Mühen gescheut.
Palhoca (dpa) – Aus Gewohnheits-Frühaufstehern werden notgedrungen
Nachtschwärmer. Bei Olympia müssen die Schwimmer spätabends ihre
optimale Leistung bringen. Halbfinals und Finals finden in Rio vom 6.
August an von 22.00 Uhr bis nach Mitternacht Ortszeit statt. Die
Vorläufe sind nachmittags – und wie die Finals damit vier Stunden
später als üblich. Das US-Fernsehen als größter Geldgeber will es so.
Wie stellen die deutschen Schwimmer um Marco Koch und Paul Biedermann
ihren gewohnten Bio-Rhythmus um?
Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) hat sich das ordentlich was kosten
lassen, bis ins Detail an Feinheiten getüftelt. «Wir haben meines
Wissens nach mehr getan als jede andere Nation auf der Welt. Das gibt
uns ein gutes Gefühl», sagt Chefbundestrainer Henning Lambertz. «Wir
haben viele gute Dinge auf den Weg gebracht.»
Dazu zählen:
– lange Vorbereitung vor Ort: Am Dienstag trafen 21 der 27 deutschen
Beckenschwimmer im Küstenort Palhoca ein, gut 1000 Kilometer südlich
von Rio. Das Hotel ist in Laufweite des Hallenbades, in das sich nur
wenige Mücken (Stichwort: Zika-Virus) verirren dürften. Ein eigener
Koch steht für ein leicht verdauliches «Abendessen» um ein Uhr nachts
und das Frühstück um zehn Uhr bereit. «Einen eigenen Koch dabei zu
haben, ist ein Riesen-Pluspunkt», erklärt Lambertz.
– Licht-Therapie: Speziallampen sollen die europäische Sommerzeit
simulieren. Die Schwimmer leben im brasilianischen Winter mit etwa
acht Sonnenstunden weiter nach dem europäischem Sommer mit 15 Stunden
Tageslicht. «Wir müssen in der Sommerzeit bleiben», sagt Lambertz.
Wenn abends gegen sechs die Sonne untergeht, soll der Körper nicht
auf den Nacht-Rhythmus schalten, sondern bereit bleiben für Leistung
um Mitternacht.
– Schlaflabor: Die Spitzenathleten ermittelten in einem Berliner
Schlaflabor ihren individuellen Leistungshöhepunkt. Mit Hilfe der
Tageslichtlampen soll dieser Leistungshöhepunkt sukzessive in den
späten Abend verschoben werden.
– Regenerationskleidung: Mit einer Nachtwäsche aus
Nano-Platinum-Technologie soll der Sympathikus als Teil des
vegetativen Nervensystems aktiviert werden. «Wenn man das nachts als
Schlafanzug anzieht, fällt man in einen viel erholsameren Schlaf,
Muskelschmerzen werden gelindert. Die Regenerationsfähigkeit wird um
acht bis zehn Prozent erhöht», erklärt Lambertz und bedankt sich
ausdrücklich beim Deutschen Schwimm-Verband, der diese Maßnahmen
ermöglichte. Allenfalls die Japaner, wo der Hersteller beheimatet
ist, nutzten dieses Know-how.
– Zimmer im Olympischen Dorf: Damit die Schwimmer länger schlafen
können, wurde in der deutschen Unterkunft die oberste Etage mit
Zimmern nach außen geblockt. Die Fenster werden mit Alufolie
abgedunkelt, damit das Tageslicht morgens das Team nicht früher
weckt. Gegen Lärm hilft manchen auch der Klassiker: Ohrenstöpsel.
– Das sagen die Athleten: Freistil-Weltrekordler Biedermann kam beim
nächtlichen Training im heimischen Halle/Saale gut zurecht: «Man hat
zu ungewöhnlichen Zeiten Hunger, das kann man mit fünf statt drei
Mahlzeiten und deutlich weniger essen lösen.» Weltmeister Koch konnte
in Darmstadt mit der Rücksicht der Nachbarn nicht immer rechnen,
obwohl er nach eigener Aussage immer überall und auch gern lange
schlafen kann. «Marco ist eher die Eule, nicht der frühe Vogel»,
erklärt Heimtrainer Volker Kreisel grinsend.
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